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Der erste Tag in der Klinik

Aktualisiert: 7. Dez. 2019

Heute ist der erste Tag – der Beginn in der Tagesklinik. Ob es ein gutes oder schlechtes Zeichen ist, dass ich vor genau 11 Jahren am selben Datum aus der Klinik entlassen worden bin kann ich aktuell nicht wirklich einschätzen. Aber diese Frage beschäftigt mich schon seit einigen Tagen. Ich soll mich darauf einlassen haben die gesagt, mit denen ich bisher darüber sprechen konnte - sprechen wollte. Es sind nicht viele...

Der Wecker klingelt. Es ist früh. Es ist dunkel und ich habe eigentlich noch eine ganze Weile Zeit. An guten Tagen würde ich mich fragen warum ich denn den Wecker schon so früh gestellt habe. Heute frage ich mich ob die Zeit ausreichen wird. Ob es genug Zeit gibt für die Morgentoilette. Genug Zeit für den Weg mit der Bahn zur Zentralen Aufnahmestelle, wo ich den ganzen administrativen Aufwand der Klinikaufnahme erledigen muss. Und ob die Zeit dann noch ausreicht von dor zur eigentlichen Tagesklinik zu kommen. Realistisch betrachtet sind es vom Hauptgebäude bis zum Gebäude der Tagesklinik – selbst bei dem umständlichsten Weg, denn irgendwie fehlt mir aktuell der Orientierungsinn und somit die Logik für den kürzesten Weg – keine 1000 Meter... Die Aufnahmestelle ist nicht wirklich ausgeschildert. Als ich ein paar Tage zuvor angerufen habe, weil ich fragen wollte, ob ich das Prozedere bereits am Vortag erledigen könne, sagte man mir, dass dies nicht notwendig sei. Ich solle doch einfach vor dem Termin vorbei kommen. Es wäre kein großer Aufwand und es würde auch nicht lange Zeit in Anspruch nehmen. Und die freundliche Stimme sagte mir, dass sich die Aufnahmestelle direkt im Haupthaus befinde. Man könne diese schlicht und einfach gar nich verfehlen. Und nun stehe ich am Haupteingang zum Gelände und es ist überhaupt nicht klar wo das Hauptgebäude ist – geschweige denn der Eingang zur Aufnahmestelle. Eigentlich ist mir dies schlichtweg schon zu viel. Ich habe keine Orientierung und mir fehlt der Halt – der Halt in einer schlichtweg unsicheren Zeit für mich. Aber ich laufe nicht davon. Ich gehe los und suche die richtige Tür... Nach ein paar Metern stehe ich vor einem Eingang, welcher sich auch ohne Schlüssel zu öffnen scheint. Ich nehme die Klinke in die Hand. Ich beschließe, dass ich notfalls jemanden nach dem Weg fragen werde. Und siehe da – das Schild „Zentrale Aufnahmestelle“ prangt in großen Lettern über der Glaskanzel hinter der Eingangstür. Nunja – wirklich einladend ist der Bereich nicht. Die Glaskanzel befindet sich direkt neben der Eingangstür. Daneben ein großes Treppenhaus. Es ähnelt dem, wie man sich ein Treppenhaus eines altehrwürdigen Schulgebüudes aus der guten alten Zeit vorstellen kann. Eines herrschaftlichen Hauses aus dem Anfang des letzten Jahrhunderts. Es ist kalt und düster. Der Wegweiser, welcher sich an der Wand und auf einer Tafel am Treppengeländer befindet, teilt nur die Stationsnummern mit. Aber was sich hinter der jeweiligen Nummer verbirgt bleibt ein Geheimnis. Menschen sausen durch die Eingangshalle – einige scheinen nach draußen zum Rauchen zu wollen. Von der Kleidung wirken sie wie Patienten. Mancher mit versteinerter Mine, andere wiederum mit einem Lächeln auf den Lippen. Andere kommen aus einer der Stationstüren und verschwinden in anderen. Von draußen kommt ein großer schlacksiger Mann mit weißem Kittel. Er wirkt verhuscht. Mein erster Gedanke – ein verkleideter Patient – aber weitere Gedanken kann ich mir über ihn nicht machen, denn verschwindet hinter einer verschlossenen Tür... Vor mir steht ein Mann mit zwei großen Koffern an der Glaskanzel und gibt der Sachbearbeiterin seine Daten. Brav diktiert er seinen Namen, die Adresse, die Telefonnummer und viele weitere Daten, nach welchen die Frau fragt. Und alle Anwesenden können mithören. Es fühlt sich wie eine Ewigkeit an. In der Ecke des Raumes steht ein geschmückter Weihnachtsbaum. Die Lichter erleuchten die Eingangshalle ein wenig und versuchen doch ein wenig Behaglichkeit in diesen Moment zu bringen. Ich stehe da und warte. Setzen geht nicht, denn die Stühle, welche an der Wand befestigt sind machen keinen guten Eindruck. Die Spuren auf den Sitzpolstern lassen alles vermuten, jedoch keine regelmäßige Hygiene. Ich mag mich definitiv nicht setzen. Zwischenzeitlich ist eine junge Frau mit Badelatschen dazu gekommen. Sie lächelt mich schüchtern an. In der Hand hält sie einige Dokumente. Das Gespräch mit dem Mann dauert an. Nach einigen Minuten unterbricht es die Bearbeiterin und bitte die junge Frau zu sich an die Kanzel. Sie weiß um was es sich handelt und es dauert nur wenige Augenblicke und die junge Frau verschwindet wieder auf einer der Stationen. Das Gespräch mit dem Mann geht weiter. Die Eingangstür öffnet sich und zwei Männer betreten das Gebäude. Einer mit einer Art Dienstkleidung vom Rettungsdienst, der andere ziemlich verwirrt drein blicken. Die Frage ob ich denn warten würde finde ich komisch. Als ob ich hier aus purer Langeweile in dieser zugigen Halle stehen würde... Die Frau in der Glaskanzel geheißt mir näher zu treten. Ich reiche ihr meine Krankenkassenkarte und die Unterlagen, welche ich von meinem Arzt erhalten habe. Die Bearbeiterin fragt nach meinen Daten. Zum Glück muss ich nicht alles einzeln preisgeben. Da die Daten sich seit dem letzten Aufenthalt in der HNO-Klinik nicht geändert haben, ist die Beantwortung mit ja ausreichend. Der Schutz meiner Daten ist somit wenigstens ein wenig gesichert. Ich unterschreibe die Dokument zur Aufnahme und habe den ersten Schritt geschafft. Nun habe ich noch eine ganze Stunde Zeit – halb zehn soll ich erst an der Tagesklinik sein. Ich laufe langsam los – ich schleiche.... Es ist 08:45 Uhr als ich vor der Tür stehe – eigentlich will ich nur wieder nach Hause – in meine Wohnung – in mein Bett. Einfach nur schlafen und warten das der Tag vergeht, das die nächsten Tage vergehen... Doch ich bleibe – ich schaue mir das Außengelände an – eine große alte Villa, scheinbar auf dem Anfang des letzten Jahrhunderts. Sie befindet sich in einem ruhigen Wohngebiet. Eigentlich ganz gemütlich. Für mich jedoch gerade beängistigend. Mir fehlt die innere Orientierung zu dem was kommt, zu dem was in den nächsten Minuten, Tagen oder gar Wochen passieren wird. Ich habe das Gefühl, die Kontrolle über das Geschehen zu verlieren... Menschen kommen – sind es Patienten oder gar Beschäftigte. Auf der Internetseite, welche ich gefühlt 1000 Male gelesen habe, stand das der Tage um 8 Uhr beginnt. Ich bin unsicher..., ich warte und blicke in den blauen Himmel und beobachte die Wolken die langsam gen Osten ziehen... An sich ist es ein angenehmer Morgen im Dezember. Nicht zu kalt und ein wenig sonnig.Eine junge Frau kommt aus dem Haus. Sie steckt sich eine Zigarette und und lächelt. Fragt mich ob das heute mein erster Tag sei. Und dann beantwortet sie mir meine Fragen nach dem grundlegenden Ablauf des Ankommens hier. Es stellt sich heraus, dass die im Internet angegebene Ankunftszeit nicht wirklich starr vorgegeben ist. Man soll zwar zwichen 8 Uhr und halb neun ankommen – viele würden jedoch auch erst kurz vor 9 Uhr eintreffen. Sie erzählt mir, dass die Patienten in drei verschiedene Gruppen eingeteilt würden – je nach Behandlungstadium – also genau das, wie es auf der Webseite beschrieben ist. Ihre Zigarette ist aufgeraucht und sie verschwindet wieder im Haus. Ich stehe wieder allein da und traue mich nicht rein – langsam wird mir kühl – und trotzdem traue ich mich nicht. Eine weitere Mitpatientin wird von ihrem Freund oder Ehemann gebracht. Beide rauchen gemeinsam noch eine Zigarette und schon ist es 09:30 Uhr. Sie wirkt auf mich eher fröhlich. Aber ich weiß, dass dies auch eine Art der Maskierung darstellen kann. Wir betreten das Gebäude – die Tür geht schwer. Wenige Stufen führen hinein in die erste Etage. Ein eher nüchterner Eindruck. An einer Tür steht Schwesternzimmer, an anderen Bewegugungs- oder Werkraum. Eine Schwester betritt den Flur und begrüßt die Mitpatientin beim Namen. Sie erläutert ihr den weiteren Verlauf. Zuerst wird sie ein Gespräch bei ihrer Bezugspsychologin haben und danach soll ein Rundgang durch das ganze Haus erfolgen. Ich stehe da und fühle mich verloren – die Schwester fragt mich nach meinem Namen. Sie weiß also nicht wer ich bin – weil noch viele andere am heutigen Tag neu in die Klinik kommen oder aus Desinteresse?!? Ich versuche optimistisch zu sein. Ein weitere Schwester kommt hinzu. Teilt mir mit, dass sie meine Bezugsschwester sei und mit mir vor meinem Aufnahmegespräch mit meinem Psychologen einige Dinge erläutern will. Sie zeigt mir eine Bildergalerie im ersten Stock, in der alle Mitarbeiter*innen abgebildet sind. Viele Gesichter und Namen – einige Fotos scheinen schon ein paar Tage alt zu sein, denn sie sieht ihrem Bild nicht mehr wirklich ähnlich – aber die Frisur hat sich zum Positiven verändert. Wir gehen über eine knarzende Holztreppe in den 3. Stock der Villa – ich möchte gerade nicht wissen wie viele Geschichten die Wände erzählen könnten und welche schicksalsgetragenen Schritte bereits schleichend über diese Stufen gingen. Im Flur der 3. Etage stehen ein kleiner Tisch und 2 Stühle. Auf dem Tischchen steht ein kleines, einem chinesichen Zen-Garten nachempfundenes Holztablett mit Sand, zwei Muscheln, einem Stein und einer kleiner Harke. Unser Weg für uns durch einen Raum, welcher einem Besprechungsraum ähnlich sieht, hinein in das Zimmer meines Bezugspsychologen. Ein junger Mann steht mir gegen über und reicht mir die Hand. Auf den ersten Eindruck ist er jünger – viel jünger... Ich bin skeptisch – aber ich will mich einlassen. Denn Alter hat nichts mit Professionalität zu tun. Ich merke ja schließlich auch immer wieder selbst in den Seminaren, wie teilweise komisch geschaut wird, wenn ich als Jüngste im Raum die Seminarleitung inne habe... Daher mein Plan: Wir versuchen es. Es kann ja schließlich nur funktionieren oder nicht – ich gebe der Situation eine Chance – ich gebe mir eine Chance. Er bittet mich freundlich lächelnd hinein in den Raum. Mein Blick durchwandert das Zimmer. Zwei Dachschrägen und weiß gestrichene Schrägbalken, die der Dachkonstruktion Halt geben. Ein Schreibtisch mit Bürostuhl. Darauf ein PC und ein Bild mit 2 Kindern. Neben der Tür ein Tisch mit einer Kaffeekapselmaschine – rot – und der obere Teil scheint mir ein wenig lädiert zu sein. Auf der anderen Seite der Tür ein Waschbecken mit einem Spiegel. Ein Schrank. Und in der hinteren Ecke ein kleines Tischchen mit zwei Stühlen. Diese wirken gemütlicher als die im Flur. Auf dem Boden steht ein Drucker. Ein merkwürdig gewählter Platz für das Gerät... Ich solle mir einen Sitzplatz auswählen – in mir bricht die Frage auf, welches Zeichen darin wohl gesehen werden könnte. Welche Schlussfolgerungen deshalb getroffen werden. Ich verdränge diese Gedanken und nehme auf dem Sessel mit Blickrichtung zur Tür Platz. Der Psychologe setzt sich auf den anderen und die Schwester lässt sich auf dem Bürodrehstuhl nieder. Ich sitze da und irgendwie will ich eigentlich nur wieder weg – aus der Situation, aus dem Raum, aus dem Gebäude – ja eigentlich aus allem. Und man sieht mir dieses Gefühl, dieses innere Verlangen an... Beide erläutern mir, dass wir nun das Aufnahmegespräch führen werden. Das dies aus offenen Frage und im weiteren Verlauf aus sogenannten Ja/Nein-Fragen bestehen wird. Das wir im Anschluss den Hausrundgang weiterführen werden und und und... Der Psychologe stellt die ersten Fragen. Ich versuche mit den Augen einen Punkt im Raum zu fixieren. Das Antworten fällt mir teils schwer, aber es gibt auch fragen die mir leichter fallen. Irgendwann beginne ich den Blick zwischen beiden schweifen zu lassen. Schließlich soll man seine Gesprächspartner*innen ja auch anschauen. Und es fällt mir leichter als gedacht. Irgendwie ist da ein Gefühl des Vertrauens da. Ab und an verschwindet mein Blick jedoch auch wieder im Nichts. Oder er bleibt an der Magnetleiste unter der Dachschräge neben dem Schreibtisch hängen. Daran sind ein paar DIN-A4-Seiten befestigt. Auf der einen sind ein paar Daten gelb markiert. Unter den Blättern hängt eine Weltkarte. Scheinbar solch eine, auf der man seine bisher bereisten Ziele frei rubbeln kann. Ich stelle fest, diese Welt hängt schief... Das Gespräch dauert länger als wohl möglich eigentlich geplant – aber es tut mir gut. Die Schwester hat inzwischen den Raum verlassen und er fragt mich unter anderem danach welcher Tag heute sei und wo wir uns gerade befinden. Er stellt mir die Ja/Nein-Fragen. Ob ich Dinge sehe, welche nicht da sind oder gar Stimmen höre, die es eigentlich nicht gibt. Ob ich das Gefühl habe verfolgt zu werden. Es interessiert ihn, ob ich denke das mir jemand anderes Gedanken in den Kopf bringen würde... Ich kann alle Fragen mit tiefster Überzeugung mit nein beantworten. Gedanken anderer in meinem Kopf würden mir gerade noch fehlen. Meine eigenen Gedanken sind mir gerade schon zu viel. Die, die mich zum Grübeln bringen und ständig ohne Ziel und Ergebnis in meinem Kopf kreisen... Die mich aktuell schier zur Verzweiflung bringen. Das Gespräch ist beendet. Ich verlasse den Raum. Er begleitet mich ein Stück in Richtung Flur. Eine ganze Gruppe von Menschen sitzt in dem, einem Besprechungsraum ähnelnden Raum. In der Mitte sind mehrere Tische zu einer Tafel zusammen gestellt. Rundherum Stühle. Diese Menschen sind mir zu viel und ich stehle mich geschwind zur Tür hinaus. Eine kleine Pause an der kühle Luft tut gut. Es ist bereits Mittagszeit. Im Haus riecht es nach Essen. Mir dreht sich der Magen... Nach ein paar Minuten betrete ich die Villa wieder und gehe in Richtung Schwesternzimmer. Der Psychologe hatte mir erlaubt eine kleine Pause zu machen – oder hat er mir das sogar angewiesen? Ich kann es in meinem Kopf nicht einordnen, aber es tat gut. Bevor ich an der Tür klopfen kann öffnet sich diese und meine Bezugsschwester, welche auch eine Art Co-Therapeutin darstellt, steht vor mir. Bereits auf der Web-Seite hatte ich lesen können, dass hier ein, ein wenig anderes System angewandt wird. Ein System aus Therapeut*in und Co-Therapeut*in. Sie lächelt, huscht aber wortlos an mir vorbei. Sie öffnet mit dem Schlüssel ein leicht versteckte Tür und schaut mich etwas verwundert an, dass ich immer noch an der selben Stelle stehe. Ok, dass ich ihr in den Raum folgen soll war mir nicht ganz klar. Das mit der Kommunikation müssen wir wohl noch etwas üben... Der Raum ähnelt dem Laborzimmer in der Praxis meiner Hausärztin. Eine Liege. Ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen. An der Wand ein Schrank und auf der anderen Seite über einer Regalreihe eine Reihe von Hängeschränken. Zwischen dem Tisch und dem Schrank steht eine Personenwaage und auch ein Stuhl mit Armlehnen, welche der Blutabnahme dienen, befindet sich im Raum. Größe, Gewicht, Blutdruck und weitere medizinisch relevanten Daten werden von ihr in einer klinischen Patientenakte erfasst. Danach folgen die Blutabnahme und ein EKG. Der erste Versuch eine Vene zu treffen geht schief – ich bin geizig und kein Tropfen will ins Röhrchen fließen. Sie versucht es an der anderen Armbeuge. Es klappt und die Schwester scheint sichtbar erleichtert. Beim EKG dauert das Verkabeln länger als das eigentliche Aufzeichnen. Sie gibt mir zwei Fragebögen. Den kurzen Bogen hätte sie gern heute noch ausgefüllt zurück. Für den Weiteren wäre der Abgabetermin Freitag willkommen. Anschließend holt sie mein Medikament in der entsprechenden Dosis aus dem Medikamentenschrank und konstatiert mir, dass es sich nur um einen anderen Name aber um den selben Inhalt handeln würde. Im weiteren Verlauf würden die Medikamente dann in der 2. Etage bereitgestellt werden. Dann erläutert sie mir den Wochenplan und streift stichpunktartig die einzelnen Inhalte, die für mich in den nächsten Tagen geplant seien. So wirklich bin ich mir nicht sicher was hier wann, wie und wo stattfinden soll. Ich bin verunsichert. Traue mich aber nicht genauer, tiefer nach zu fragen und hoffe darauf, dass eine weitere Erklärung, welche das Chaos in meinem Kopf etwas sortieren könnte, noch folgen wird. Doch diese Hoffnung erfüllt sich nicht... In den weiteren Minuten kommen wir auf den grundlegenden zeitlichen Ablauf und darauf, wie es sich mit den Wochenenden und den bevor stehenden Feiertagen verhält. Sie sagt, dass es so sei wie die Ämter der Stadtverwaltung offen hätten und schaut mich scheinbar fragen an, ob ich mit dieser Information etwas anfangen könnte... Ich nicke zustimmend. Sie erklärt mir weiterführend, dass ich ab jetzt für den Zeitraum des Aufenthaltes alles Medizinische mit den Ärzten vor Ort klären kann und dies auch müsse, da ich ja jetzt stationär in der Klinik aufgenommen sei. Eine ambulante Behandlung durch, z. B. meine Hausärztin wäre daher für den Zeitraum von der Krankenkasse nicht erlaubt. Und mit ruhiger Stimmer erläutert sie mir weiter, wie ich mich verhalten muss, wenn irgendetwas sei. In meinem Kopf kreisen jedoch in diesem Moment einzig nur die Gedanken um diesen einen Tag am Ende des Kalenderjahres. Da die Ämter an diesem Tag geöffnet haben, hat die Klinik auch geöffnet – Mist!!! Ich teile ihr mit, dass ich an diesem Tag nicht hier sein möchte und hoffe insgeheim auf ihre Zustimmung. Doch sie schaut nur verwirrt. Sie kann scheinbar nicht einordnen um welche Bedeutung des Tages es geht. Doch nach einem Blick auf die Unterlagen huscht ein Lächeln über ihr Gesicht und sie fragt mich was ich denn da Besonderes vor hätte. Denn wenn man etwas ganz Besonderes vor hätte oder in vereinzelten, abgesprochenen Ausnahmen wäre ein Fernbleiben durchaus möglich, sofern dies der Therapie dienlich sei. Meine Reaktion führt nicht zur erwünschten Zustimmung. Toll – Geburtstag hier... und das wo ich diesen Tag eigentlich wie jedes Jahr einfach aus dem Kalender streichen will... Na gut – bis dahin sind es ja noch ein paar Tage und ich sinniere, dass mir ja vielleicht noch eine gute Geschichte oder Ausrede einfallen wird. Sie schaut mich an und ich habe das Gefühl ertappt zu werden... Es könne ja sein, - sag sie -, dass es ein ganz guter Tag werde und ich könnte doch mal etwas Neues versuchen. Sie gibt mir noch ein Set für eine Urinprobe und anschließend setzen wir unseren Rundgang im Haus fort. Sie zeigt mir in der ersten Etage die Ergotherapie-/Werkräume und den Bewegungsraum. Auch ein Kopierraum befindet sich hier. Dieser wird für mich wohl nicht von Bedeutung sein, denke ich mir. Wir knarzen wieder die Treppe hinauf in die 3. Etage. Es gibt noch ein paar Räume, welche ich bisher noch nicht betreten habe. Hier befindet sich der dritte Gruppenraum. Dahinter ein kleinerer Raum - mit zwei Rattan- und zwei alten Bürodrehstühlen sowie einem Ergonomiefahrrad - an dem sich eine Nasszelle anschließt. Es ist neben einer Toilette auch eine Dusche vorhanden. Wenn man diese nutzen möchte muss man sich jedoch die benötigten Dinge wie Handtuch etc. selbst mitbringen. In dem kleinen Räumchen werden meist die psychologischen Testungen durchgeführt und ich solle doch bitte auf das Schild an der Tür achten. Weiterhin befindet sich im obersten Geschoss noch ein Teamraum, welcher nur den Beschäftigten vorbehalten ist. In der 2. Etage ist ein Küche, die Gruppenräume, der Patientengruppen 1 und 2 und ein Speiseraum untergebracht. Im Flur stehen zwei schwarze Sessel und es ist ein Schließfacharrangement aufgestellt. An der Garderobe hängen viele Jacken und einige Schuhe stehen auf dem Boden. Zwei weitere Türen führen in ein jeweiliges Arztzimmer und sind nur mit Schlüssel zu öffnen. Wir gehen wieder in das Erdgeschoss und ich darf mir einen Schlüssel für eines der Schließfächer aussuchen. Gegen eine Sicherheitsgebühr von wenigen Euro krame ich ein wenig in dem Kistchen. Ich kann mich nicht entscheiden ob ich die Nummer 7 nehmen soll. Eigentlich ist es auch egal – Schließfach ist Schließfach... Trotzdem fällt mir die Entscheidung schwer. Es ist als ob ich einen wichtigen Vertrag unterzeichnen soll.... Zufällig entdecke ich, dass die Nummer 21 noch frei ist – meine Entscheidung für das Schließfach für die nächsten Tage und Wochen steht fest... Meine Bezugsschwester bringt mich nun zurück in den Gruppenraum. Einige Patienten der Gruppe 1 sitzen um einen großen Tisch. Sie unterhalten sich. Sie wirken ausgelassen. So wirklich am richtigen Ort bin ich nach meinem Gefühl nicht. Das Außengeschehen und mein inneres Empfinden klaffen weit auseinander. An einer Wand hängt ein Whiteboard. Darauf ist ein Rechteck mit zwölf Punkten darum aufgezeichnet. Es soll den Tisch mit den entsprechenden Stühlen darstellen. An einigen der Punkte sind bereits Name angeschrieben. Ich solle mir doch einen freien Sitzplatz, welcher durch einen noch nicht mit einem Namen belegte Punkt gekennzeichnet sei, auswählen und dann meinen Namen an der dazu gehörigen Stelle aufschreiben. Ich wähle den Eckplatz, welcher mir die Sicherheit der Raumecke zu bieten scheint. Welcher mir aber gleichzeitig auch einen möglichst schnellen Weg zur Tür biete. Bei den anderen freien Plätzen war diese Fluchtmöglichkeit nämlich annähernd verwehrt, denn ich hätte immer irgendjemanden aufscheuchen müssen. Die Schwester lächelt mich an und geht. Ich nehme auf meinem Stuhl Platz. Ich fühle mich verwirrt, unsicher und ziemlich allein. Die Mitpatientin, welche heute ebenfalls den ersten Tag in der Klinik ist kommt mit einem Teller Mittagessen herein. Eine weitere Patientin, scheinbar bereits schon mit der zweiten Portion, nimmt ebenfalls wieder am Tisch Platz. Sie sagt zu mir, dass ich mich beeilen solle, wenn ich noch etwas essen möchte... Ich verneine... Der Geruch nach Essen ist schrecklich. Ich versuche es jedoch auszuhalten. Die beiden weiteren Patientinnen, welche noch am Tisch sitzen, schauen mich fragend an... Um möglichen Fragen auszuweichen krame ich den kurzen Fragebogen aus meiner Tasche und kreuze schnell die entsprechenden Antworten an. Danach verlasse ich den Raum in Richtung Toilette. Nicht weil ich muss. Einzig um dem Geruch nach dem Essen zu entfliehen. Ich verschließe die Tür hinter mir. Wie lange es dauert bis ich die Kabine wieder verlasse kann ich nicht einschätzen. Es wird aber eine geraume Weile gewesen sein, denn als ich wieder zurück in den Gruppenraum kommen sind die anderen bereits auf dem Weg in den Raum für das Hirnleistungstraining (HLT). Es ist dieser, einem Besprechungsraum ähnelnde Raum in der obersten Etage. Im Raum wartet bereits ein junger, sehr schlanker Mann. Mit schwarzer Kleidung, einer Brille und langen Haaren, die zu einem Zopf gebunden sind. Auf dem Tisch stehen zwei Gesellschaftsspiele. Eine der Patientinnen verdreht merklich die Augen. Die beiden anderen grienen süffisant. Die Neue nimmt neben dem jungen Mann Platz. Ich setze mich in die Nähe der Tür. Wir warten auf unsere weiteren Gruppenmitglieder. Die Therapieeinheit hat von der Uhrzeit her bereits schon vor einigen Minuten begonnen. Jedoch kommt niemand weiteres dazu. Also beschließt der junge Mann, welcher sich nun namentlich als der zuständige Ergotherapeut vorstellt, mit der Einheit zu beginnen. Er wirkt unsicher. In dem Moment kommen mir die Wortfetzen aus dem Gruppenraum in den Sinn. Hier hatte die Mitpatientin, welche eben mit den Augen rollte, nicht gerade positiv von einer vorangegangen HLT-Stunde erzählt. Ich frage mich, ob es sich hierbei um den selben Therapeuten handelt. Mein innerer Drang den Raum zu verlassen wächst, doch ich bleibe... Er deutet auf die beiden Spiele in der Mitte des Tisches. Die Gruppe soll sich eines davon aussuchen. Keiner kennt auch nur eines der beiden, daher geht die Auswahl sehr schleppend. Ein wenig hilflos sagt er nach einer Weile, dass es auch noch weitere Spiele im Schrank gäbe und man auch eines von denen für diese Einheit nutzen könne. Eine der Frauen öffnet den Schrank und nennt die Namen der vorhandenen Spiele. Dies führt jedoch auch nicht zu einer Entscheidung. Ich bin verwirrt und innerlich macht sich eine Art Kopf-Tisch-Moment in mir breit. Ich fühle mich jedoch nicht in der Lage, an Hand der Abstrusität der Situation zu lachen – mir ist eher zum Verzweifeln zu mute... Schließlich entscheiden sie sich doch für eines der beiden Spiele auf dem Tisch. Eine der Frauen witzelt, dass der Name des Spieles dem Namen des Therapeuten entlehnt zu seien scheint. Die anderen grinsen – er jedoch blickt scheinbar irritiert von einer zur anderen. Ich frage mich, ob ihm diese namentliche Ähnlichkeit noch nie aufgefallen sei und mein Drang nach Weglaufen wird immer stärker... Der junge Mann versucht sich an der Erklärung der Spielregeln. Es scheint jedoch als ob er diese nicht kennt. Vielleicht sind sie ihm auch noch fast vollkommen unbekannt. Oder er hat einfach nur kein wirklich methodisch-didaktisches Talent um eine verständliche Anleitung zu geben. Ich verstehe null und nichts. Meine gefühlt letzten, funktionierenden Gehirnzellen scheinen sich im Nichts zu verkriechen... Die anderen lassen sich trotz der chaotischen Anleitung auf das Spiel ein. Nur ich kann mich nicht überwinden. Der Sinn dieser Therapieeinheit erschließt sich mir in dieser Umsetzung in keinster Weise. Irgendwie stelle ich mir unter Hirnleistungstraining etwas anderes vor. Wahrscheinlich auch auf Grund meiner Hirnleistung der letzten Monate im Rahmen des Kongresses. Ich fühle mich verschaukelt – verschaukelt auf ganzer Linie, jedoch kann sich mein rationales ich, auch auf Grund des ersten Klinikaufenthaltes, vor einigen Jahren, durchaus vorstellen, dass so ein Gesellschaftsspiel für manche Patient*innen durchaus eine Herausforderung sein kann. Irgendwie kommt das Spiel trotzdem in Gang. Da es mir jedoch unangenehm ist nur da zu sitzen, lasse ich mir die Spielanleitung geben. Bei Lesen wird mir klar, dass die Erklärung des Spieles nicht wirklich funktioniert hat und einige Spielsequenzen daher auch etwas unbeholfen wirken. Ab sie spielen und scheinen auch ein wenig Spaß dabei zu haben. Ich bin mir jedoch nicht sicher ob es tatsächlich am Spiel oder doch eher an den ironischen Gesichtsausdrücken liegt... Es ist mir aber auch egal... Eine der Patientinnen stößt plötzlich aus Versehen ihre Kaffeetasse um und es kommt etwas Schwung in den Raum... Beim Verlassen des Raumes konstatiert eine der Frauen nur, dass sich inständig darauf hoffen würde, dass die anschließende Ergotherapieeinheit nicht vom selben Herren geleitet werden würde. Diese Hoffnung erlischt jedoch in dem Moment als wir nach einer kurzen Pause, welche wir gemeinsam im Gruppenraum verbrachten, den Werkraum betraten. Der Raum erinnert mich sehr an den Werkunterrichtsraum aus Schulzeiten. An den beiden Stirnseiten des Zimmers befinden sich Holzregale. In diesen sind verschiedene Materialien aufbewahrt. Teilweise auch bereits begonnene Bastelstücke anderer Patient*innen. Auf der Fensterseite steht eine kleine Werkbank. Darüber hängt an der Wand ein Art Gestell mit dünnen Ruten, welche sich zur Korbflechterei eignen. Ein Mann sitzt da und ist auf das Flechten eines kleinen Körbchens konzentriert. Ihn habe ich bisher noch nicht gesehen und frage mich ob er in meine Gruppe gehört. Weitere Personen haben sich an den beiden Tischen im Raum verteilt und versuchen sich an Strickereien oder an diversen Faltarbeiten. Eines der Bastelstücke sieht nach einem Origamifrosch aus. Eine weitere Patientin blättert in einem Ordner mit diversen Bastelvorlagen. Ich schaue mich im Raum um. Dann entscheide ich mich von einem zum anderen Regal zu wandeln und zumindest ein wenig Interesse an den Materialien vorzutäuschen. Im zweiten Werkraum nebenan, welcher durch eine Glastür mit dem ersten verbunden ist, hängt neben der Ausgangstür eine Übersicht zur Schematherapie an der Wand. Ich betrachte diese Darstellung einige Minuten. Über diese Therapieform bin ich bereits im Internet gestoßen, als ich die Telefonnummer der Tagesklinik recherchiert hatte. Sie klingt spannend. Auch in diesem Raum stehen mehrere Tische zu einer größeren Tafel arrangiert. Eine Frau, die ich bisher auch noch nicht wahrgenommen habe strickt mit giftgrüner Wolle und scherzt, dass sie nicht weiß, ob sie alles wieder auftrennen muss... Der Therapeut bitte mich zu sich in sein Büro. Dieses befindet sich in einem kleinen Wintergarten der Villa und grenzt direkt an den ersten Werkraum. Er steht ungefähr einen Meter von mir entfernt. Mir wird übel, denn der Geruch, welcher ihn umgibt, ist einfach nur sehr unangenehm. Er riecht nach altem Schweiß. Ich frage mich, ob ihm das eigentlich bewusst ist. Er kann mir nicht in die Augen sehen und versucht mich von der Bastelei zu überzeugen. Seine Worte sind in der Art und Weise erneut sehr unsicher. Er schlägt mir vor, mich in dem Vorlagenhefter zu inspirieren, doch eine innere Stimme höhnt nur im Sprechgesang „Staubfänger, Staubfänger, ...“ Der Geruch in dem Büro ist für mich unaushaltbar. Ich beschließe mich noch einmal intensiver mit den Büchern in gegenüberliegenden Regal zu beschäftigten. Das Buch mit den Anleitungen für einfache aber niedliche Strichmännchen erregt meine Aufmerksamkeit. Abzeichnen mag ich aber nicht. Daher nehme ich mein Handy aus der Tasche und fotografiere jede einzelne Seite. Vielleicht lassen sich der Inhalt und die Anleitungen des Buches später einmal für eine Visualisierung im Seminar nutzen. Zu mehr zukunftsgerichteten Gedanken bin ich jedoch aktuell nicht in der Lage. Nachdem ich alle Seiten erfasst habe komme ich mir vor als ob ich gerade eine ganze Enzyklopädie von Hand abgeschrieben hätte – dabei waren es gerade einmal 90 Seiten – wenn überhaupt. Die Zeit ist um. Wir können uns jeweils die Teilnahme an den einzelnen Einheiten durch den Therapeuten auf unserem jeweiligen Wochenplan bestätigen lassen. Nach einer weiteren kurzen Pause eröffnet die Stationsleitung die sogenannte Abschlussrunde im Gruppenraum 1. Jede*r soll den Tag reflektieren. Soll sagen was gut und was weniger gut war. Wie der folgende Abend gestaltet werden soll kann auch preisgegeben werden. Die Darstellungen der Gefühle zum Tag sind so unterschiedlich wie die anwesenden Personen. Einige äußern ihren Unmut über den langhaarigen jungen Mann und sein fehlendes Talent zur Anleitung von Inhalten und Arbeitsschritten. Und obwohl sich die Frauen in der Pause vehement über dessen körperliche Ausdünstungen unterhalten hatten, traut sich niemand das Thema anzusprechen. Es geht der Reihum. Nun soll ich etwas sagen. Eigentlich möchte ich nicht. Ich kenne die Menschen nicht. Ich kann ihre Reaktionen nicht einordnen. Daher möchte ich heute eigentlich erst einmal den Ablauf beobachten und schweigen. Doch ich habe das Gefühl, dass ich nicht schweigen darf – dass alle von mir erwarten, dass ich etwas sage. Ich habe den Eindruck, dass mich alle anstarren. Also versuche ich mir schnell ein paar wohlwollende Sätze bereit zulegen. So wie ich es teilweise in Seminaren in den sogenannten Blitzlicht- oder Feedback-Runden tun muss, obwohl ich auch da am liebsten schweigen möchte. Wie auch da überkommt mich das Gefühl des Zwanges zum Lügen. Nur nicht meine ehrlichen Gedanken sagen, denn das könnte anderen ja unangenehm sein. Ich beginne also mit eigentlich belanglosen Aussagen. Das alles neu für mich ist sollte sich eigentlich jedem an meinem ersten Stationstag selbst erklären. Danach teile ich mit, dass ich aktuell sehr empfindlich auf Gerüche reagiere. Das mir die Intensität von manchem Parfum und der Geruch nach Essen zur Zeit sehr unangenehm, wenn nicht sogar unerträglich erscheint. Im selben Augenblick drängt sich mir der Eindruck auf, dass man von mir erwartet, dass ich noch etwas zu dem Ergotherapeuten sagen soll. Ich tue es. Jedoch nicht aus eigener Überzeugung sondern wie so oft aus dem scheinbar erwartetem Pflichtgefühl den anderen gegenüber. Die Schwester bedankt sich bei allen für die ehrlichen Rückmeldungen und verspricht, diese Themen an geeigneter Stelle im Team zu besprechen. Irgendwie tut mir der junge Mann in dem Moment leid und ich hoffe nur, dass ihm die Punkte wohlwollend angetragen werden. Es ist kurz vor 16 Uhr und der erste Therapietag ist geschafft. Ich bin völlig ausgelaugt. Die meisten verlassen das Gebäude auf schnellstem Wege. Andere trödeln etwas. Laut Fahrplan an der Haltestelle, direkt vor der Tagesklinik, kommt der nächste Bus erst in 12 Minuten. Zum Warten bin ich zu unruhig. So mache ich mich zu Fuß auf in Richtung Innenstadt. Das Laufen fällt mir zum Glück nicht schwer. Damals – vor dem ersten Klinikaufenthalt war jeder Meter eine unüberwindbare Entfernung für mich. Das ist mir zum Glück erspart geblieben. Als ich an der Straßenbahnhaltestelle Richtung Wohnung auf die Uhr schaue, kann ich feststellen, dass ich jetzt eigentlich immer noch an der Bushaltestelle warten würde... Ein wenig bin ich stolz auf mich, dass ich den Weg in eine für mich doch so kurzen Zeit geschafft habe... Als ich in meiner Wohnung ankomme setze ich mich auf meine Couch. Ich habe weder Hunger noch Durst. Und das obwohl ich heute noch nicht viel getrunken habe. Geschweige den gegessen. Mein Appetit ist schon seit mehreren Wochen nicht mehr vorhanden. Wenn ich in den letzten Tagen und Wochen gegessen habe, dann nur weil es gesellschaftskonform erwartet wurde und nicht, weil ich Freude daran verspürt hätte... Obwohl mir meine Bezugsschwester für den ausführlichen Bogen bis zum Freitag Zeit gegeben hat nehme ich ihn zur Hand. Er beinhaltet Fragen zur Familie, zum Verhältnis der einzelnen Personen zueinander und zur damaligen und aktuellen Wohnsituation. Die Kindheits-, Schul- und Ausbildungszeiten werden ebenso wie die berufliche Entwicklung thematisiert. Weiterhin soll aufgeführt werden wie die eigene Krankheitshistorie ablief und ob es sich wiederholende gesundheitliche Probleme in der Familie gibt. Einige Fragen kann ich recht einfach und zügig beantworten. Bei anderen brauche ich länger. Ich stelle fest, dass meine Schrift bei Fragen, welche mich aufwühlen immer schlechter wird. Die Fragen nach eigenen Partnerschaften kann ich schnell überblättern – da gibt es nicht viel zu sagen... Doch die Fragen nach dem Verhältnis zu anderen Personen und nach aufwühlenden Erlebnissen werfen mich aus der Bahn. Und dann ist da auch noch die Frage nach dem Lebenswillen und danach wie oder was ich sein möchte. An diesem Punkt will ich den Bogen eigentlich nur noch aus der Hand legen. Doch ich habe Angst vor der eventuell einsetzenden Prokrastinie ist größer und ich quäle mich bis zum Ende. Doch diese beiden Fragen kann ich nicht beantworten. Aus Angst vor den Reaktionen auf meine wirklich ehrlichen Aussagen – also machen ich jeweils ein Fragezeichen. Als ich alle Fragen der 12 Seiten nach bestem Gewissen und nach der mir gegebenen Möglichkeiten beantwortet habe, bin ich mich müde und leer. Ich lege mich hin und kuschle mich in meine Decke. Irgendwann schlafe ich dann weinend ein.

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