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Eine hoffentlich gute Entscheidung...

Benommen wachte ich auf. Ein vollkommen unangenehmes Gefühl. Nicht wach aber auch nicht mehr schlafend. Irgendetwas dazwischen. Doch ziemlich schnell wurde mir klar, dass es ein neuer Morgen war. Hatte sich meine Seele, mein Körper also doch für das Überleben – für das Kämpfen um bessere Zeiten entschieden... Schleppend stand ich auf und wankte zeitlupenartig ins Bad...

Mechanisch vollzog sich die Morgentoilette. Mechanisch zog ich mich an und ging mechanisch der Bahn entgegen. Mechanisch kam ich an der Tagesklinik an. Alle lief wie ferngesteuert ab. Von meiner Umgebung nahm ich nicht viel wahr. Genau genommen nichts – überhaupt nichts... Doch nun musste ich funktionieren. Auf keinen Fall auffallen. Auffallen wäre fatal gewesen. Auffallen hätte einen erneuten stationären Aufenthalt in der Klinik bedeutet. Auffallen wäre das Ende...

Ich betrat wie in Trance das Gebäude. Schemenhaft umgaben mich die Menschen und die Geräusche. Ich hing in einer Zwischenwelt fest... Selbstvorwürfe torpedierten mich. Zu nichts war ich in der Lage – nichts konnte ich zu Ende bringen... Noch nicht einmal sterben konnte ich... Doch nun war es einmal so... Die Chance war vertan...


Doch tat sich eine neue Chance auf. Ein Gespräch mit meinen Bezugspsychologen. Ich hatte Angst davor. Angst, es könnte mir die letzte Nacht auf der Stirn stehen. Angst davor, dass alles schon bekannt geworden sei. Angst vor den Konsequenzen. Ich wusste zwar nicht wie er davon hätte erfahren sollen – aber die Angst steckte mir wie ein Kloß im Hals. Schnürte mir alle Empfindungen ab.

Das Gespräch begann ebenso ungelenkt. Ungelenkt wie das Schweigen mit meiner Bezugsperson am Vortag. Ungelenkt drängte sich erneut der Dilettantismus meines Seins auf.

Er blieb hartnäckig. Seine jugendliche Art und seine scheinbare Naivität halfen mir. Sie imponierten mir. Zeigte sich doch dadurch keine abgeklärte Lebensklugheit. Keine Selbstverständlichkeit, sondern tatsächliches Interesse... Langsam kam ich im Gespräch an. Langsam verflogen die letzten Fetzen der Wirkung des Medikamentencocktails.

Immer wieder fragte er. Dennoch fiel mir immer wieder die Reaktion darauf schwer. Immer wieder kreisten die Gedanken um Ursache und Wirkung. Um Grund, um Auslöser und Konsequenz... Ich war erneut in meinem Inneren verfangen. Darin eine möglichst konforme Antwort. In dem Gefühl, welches mich gestern in diese Reaktion so außer Rand und Band versetzte... Mir wurde schlecht... Er schaute. Ein wenig verunsichert, vielleicht auf mit einem Fünkchen Hilflosigkeit. Schließlich sprach er von sich und seinen Wahrnehmungen. Davon, dass er mir gern helfen wolle. Davon, dass dies aber nur gemeinsam funktionieren könne... Und plötzlich war sie da – ob bewusst oder unbewusst gesteuert – sie war da... Die paradoxe Intervention, die bei mir einen Hebel umlegte. Die irgendwie Bewegung in die Sache brachte. Ein Ansage, die mich aufforderte einen anderen Blickwinkel einzunehmen. Eine Aufforderung nicht nur den Platz zu wechseln, sondern auch die eingefahrenen Gedankenbahnen zu verlassen. Gefühle zu zulassen und Bedürfnisse zu äußern... Es brach aus mir heraus. Tränen liefen mir über das Gesicht – doch die unangenehme Leer wich. Ein Gefühl von Erschöpfung überkam mich. Einer willkommenen, freundlichen Erschöpfung. Einer hilfreichen Erschöpfung... Er lächelte mich an. Der Ruck, der mich und meine Gedanken durchbrach war wohl auch äußerlich sichtbar geworden...

Wir sprachen noch eine ganze Weile über die noch bestehenden Möglichkeiten. Über Rückfalllinien und Notfallpläne. Kurzzeitig stand sogar wieder die Frage in Bezug auf einen erneuten stationären Aufenthalt im Raum. Ich sollte mich – ich musste mich – ich wollte mich entscheiden. Wollte ich doch nicht immer ambivalent zwischen den beiden Polen des Lebens hin und her pendeln... So hatte ich mich entschieden. Mein Körper hatte sich bereits über Nacht entschieden und auch meine Seele traf vor wenigen Minuten den Entschluss für das Leben. Eine Entscheidung ohne die ganzen Einzelheiten der letzten Nacht preisgeben zu müssen.

Trotzdem erbat er sich noch ein wenig Zeit. Zeit um Rücksprache mit den weiteren Mitgliedern des Stationsteams halten zu können. Zeit um alle Möglichkeiten zu reflektieren. Wir vertagten also den endgültigen Abschluss unseres Gespräches...

Ich verließ das Zimmer und ging nach unten. Hinab zum Speisesaal. Hinab mit einem Fünkchen Appetit. Ich aß... Die Entscheidung für die Tagesklinik war gefallen. Hatte sich endlich in mir manifestiert – nun hoffte ich nur noch, dass das Team mir diese Chance erneut einräumen würde...

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