Psychoedukation – was so studiert und hochtrabend klingt, soll in erster Linie Wissen über die jeweilige Krankheit vermitteln. Scheinbar eine Art „Unterrichtseinheit“ der Diagnosekunde für den Patienten-bedarf. Ich weiß nicht, ob mir dies was bringt – also im Sinne von neuen Erkenntnissen. Das halbe Internet ist voll mit Texten über Depressionen – die einen mehr, die anderen weniger wissenschaftlich fundiert. Wer jedoch intensiv und konzentriert sucht, kann gute Texte zum Thema finden. Ebenso in Foren über die jeweiligen Auswirkungen sinnieren und sich über die Fürs und Widers der einzelnen Therapieströmungen und -angebote informieren.
Ich habe konzentriert und intensiv gesucht. Ich habe mich belesen. Belesen darüber, welche körperlichen Symptome eine Depression mit sich bringen kann. Auch die einzelnen Differenzierungen in der ICD-10-Klassifizierung habe ich mir mehrfach angeschaut. Also was soll ich da? Soll ich mir anhören, dass eine Depression das Denken, Fühlen und Handeln einschränken kann. Soll ich erkennen, dass es in einer depressiven Phase wohl besser ist keine weitreichenden Entscheidungen zu treffen? Wo aber beginnt dabei die Definition des Maßstabes „weitreichend“? Oder will man mir gar erläutern, dass eine Einschränkung der Merkfähigkeit mit einer Depression einher gehen kann. Vielleicht soll es aber auch erklären, dass eine Depression körperliche Beschwerden verursachen und/oder verstärken kann. Schmerzen, die in diesem Zustand unerträglich scheinen, nicht vornehmlich eine „echte“ körperliche Ursache haben müssen – aber körperlich wahrhaftig sein können... Soll die Erkenntnis gefördert werden, dass Depressionen Ängste schüren und Traurigkeit befördern kann. Oder gar vermitteln, dass eine Depression auch von einem Gefühl der Gefühllosigkeit geprägt sein kann - von unendlicher Antriebslosigkeit und von Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit.
All das erlebe ich nun schon seit mehreren Wochen, mehreren Monaten - oder besser gesagt - schon seit unendlich vielen Jahren... Also wohl erst einmal nicht wirklich neue Erkenntnisse. Oder soll es dazu führen, dass sich der Sinn des Lebens erschließt – oder doch der letzte Streif am Horizont in Bezug auf Hoffnung einer Verbesserung schwindet...
Nun ja – das kleine Pflänzchen Hoffnung in Bezug auf ein anderes, „neues“ Leben keimt zum Glück gerade wieder ein wenig auf... Zart - recht zart, aber es schlägt langsam Wurzeln... Mehr kann ich wohl aktuell auch nicht erwarten – was mich bereits über 20 Jahre lang tagein tagaus begleitet, wird wohl nicht in wenigen Tagen verschwinden. Ganz einfach nicht verschwinden können. Das wäre wohl zu viel erwartet. Und ich mag gerade nichts mehr erwarten – weder von anderen noch von mir selbst... Erwartungen an mich selbst waren bisher von einem Zwang nach Perfektionismus geprägt, der nicht erfüllbar zu sein scheint. Von anderen mochte ich in den letzten Wochen ebenfalls nichts erwarten. Denn Erwartungen an andere waren in den letzten Jahren gefühlt ständig von Enttäuschungen geprägt. Ob diese Enttäuschungen der Realität entsprachen oder ein Trugbild der Depression sind, mag ich aktuell nicht konstatieren...
Aber doch - eines habe ich in den letzten Wochen von anderen erwartet... Ich habe erwartet, dass sie mich alle in Ruhe lassen. Ich wollte, wie bereits in der elenden Episode 2008 und den anderen, die danach noch folgten, einfach nur meine Tür hinter mir abschließen. Mich in meine Decke einrollen und schlafen. Unendlich lange schlafen. Ich mochte weder jemanden sehen noch mit jemanden sprechen. Ich wollte mich einfach nur aus dieser Welt zurück ziehen und ich wollte, dass die anderen diesen Wunsch akzeptieren.
Aber gleichzeitig habe ich auch gehofft, dass sie es nicht tun... Menschen waren mir schon immer fremd. Unverständliche, komische Gestalten. Unverständlich in ihren Handlungen und Gefühlen. Manchmal auch in ihrer Sprache. Irgendwie sind sie es mir immer noch. Jedoch wage ich langsam den Blick in diese menschenerfüllte, für mich verwirrende Welt. Eine Welt mit zwischenmenschlichen Beziehungen – mit Freund- und Feindschaften und mit dem was daraus erwachsen kann.
Und da gab – oder besser gesagt - gibt es noch einen weiteren Wunsch – den Wunsch danach, verstanden zu werden. Verstanden nicht im Sinne von „Ich habe Recht“ oder „Das was ich sage ist die Wahrheit“ - sondern verstanden werden im Sinne von „Ich höre dich und das was du sagst – vielleicht bin ich damit nicht einverstanden, aber es ist aktuell dein Gefühl, deine Wahrnehmung ,deine Realität und die akzeptiere ich so - in diesem Moment, in dieser Sekunde“... um dann zur passenden Situation mit „… und vielleicht können und sollten wir ja noch einmal darüber reden und eine gemeinsame Sprache oder Sichtweise auf die Dinge finde“ fortzufahren. Den Wunsch mit gewissen – mir wichtigen Menschen - offen über meine Gedanken, Ängste und Gefühle sprechen zu können. Sprechen ohne die Befürchtung haben zu müssen, dass sich mein Gegenüber abwendet. Sprechen können ohne Schnörkel, aber auch ohne ein Weichzeichnen der Inhalte.
Warum ich mir das Alles so und nicht anders wünsche? Weil ich ambivalent in Bezug auf Menschen bin...
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