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The Black Dog – von Hunden, Katzen und anderen

Die heutige Pflegevisite empfinde ich als recht anstrengend. Die beiden vom Pflegepersonal sind recht pflegeleicht – also sympathisch. Mit ihnen konnte ich mich immer gut unterhalten. Nicht nur über banale Dingen, sondern auch in für mich schwierigen Situationen. Wie auch andere hatte ich bei ihnen immer das Gefühl ernst genommen zu werden. Dieses Gefühl kam nicht bei jeder Schwester auf. Aber so ist es nun einmal wenn viele Menschen auf einander treffen. Ich sitze also auf meinem Bett. Der Pfleger hatte es sich auf einem der Stühle bequem gemacht und die Schwester versteckte sich etwas hinter ihrem transportablen Schreibpult. Er stellte die Fragen und sie notierte sich wacker die einzelnen Eindrücke. Der Pfleger wollte wissen, welche Eindrücke mich am meisten auf Station geprägt hätten und wo ich etwas verändern würde. Wir kamen daher auf den Start auf Station zu sprechen und auf die Art und Weise von Kommunikation. Das hierbei immer mindestens zwei beteiligt sind und man nicht davon ausgehen kann, dass das Gegenüber auch das versteht was man meint. Manchmal scheitert es schließlich auch schon daran, dass man nicht das sagt, was man eigentlich meint. Aber es hatte ja alles geklappt auf Station – auch wenn der Anfang etwas holprig war. Die 5 Wochen sind doch recht schnell vergangen. Die ersten Tage zogen sich. Waren auf Grund der ständigen Rechtfertigungen gar recht anstrengend. Doch die letzten Wochen hatte sich eine Routine eingespielt. Zwar keine liebenswerte Routine, aber dafür waren die meisten Menschen hier liebenswert und sympathisch. Selbst Missverständnisse aus den ersten Tagen konnten über die Zeit ausgeräumt werden. Wir hatten uns eingespielt oder zumindest hatte jede_r seinen Platz in der Gemeinschaft gefunden.

Über die Frage, wie ich mir die Zeit der Therapieausfälle denn gestaltetet hätte, kamen wir auf die Kalender zu sprechen. Mittlerweile war ein weitere fertig geworden und hing nun an der Garderobe. So konnte ich mein Werk wenigstens in den nächsten Tagen hier schon betrachten. Der Pfleger stand auf und schaute sich die ersten Seiten an. Die Bilder der Katzen faszinierten ihn. Aber er gibt auch zu bedenken, dass er Katzen nicht mag. Katzen nicht mögen ist schon eine große Kunst. Es sind so grazile Geschöpfe. Mit Charme und Eigensinn. Lassen sich so gut wie nichts sagen und sind so schön selbstbestimmt. Dabei haben sie aber immer ein gutes Gespür für die Bedürfnisse ihrer Menschen. Zumindest ist das bei unseren Fellnasen so... Er kann dies offensichtlich nicht nachfühlen. Ob es einmal eine Situation gab, die ihm noch in den Knochen steckt, verrät er nicht wirklich. Nur ein klein wenig. In seiner Sicht sind Katzen aufdringlich. Dieser Eindruck verwundert mich. Ich finde Katzen alles andere als aufdringlich. Unsere sind fremden gegenüber auf jeden Fall sehr scheu. Wir sinnieren noch etwas die Körpersprache weiterer Lebewesen – Hunde, Katzen, Pferde und auch Menschen. Katzen zum Beispiel mögen ruhig Menschen. Diese scheinbar gelassene Ausstrahlung lädt sie förmlich zum Kontakt ein. Hunde dagegen sind eher mit aktiver Begeisterung zu animieren. Wie spannend, dass sich solche Charakterzüge in fast jeder Spezies wieder finden lassen... Am Abend finde ich in einem der Sozialen Netzwerke eine Spruch... - Wie passend...

Auf Grund des Wetters hatten wir uns gemeinschaftlich gegen den Ergo-Spaziergang entschieden. Viele waren wir ja auch nicht mehr. Eigentlich wären wir nur zu 4 gewesen, denn unser treuer Begleiter war bereits schon entlassen worden. So hatten wir gebeten, dass die Schwestern unserer Ergotherapeutin Bescheid geben, damit diese nicht verlassen am Treffpunkt warten würde. So hatten wir uns nach dem Mittagessen wieder in unserer Leseecke eingefunden. Bücher wurden von anderen verschlungen. Jedoch konnte ich mich nicht recht konzentrieren. Ich las gefühlt jeden Satz so oft, dass ich ihn hätte eigentlich wortwörtlich rezitieren können. Es funktionierte trotzdem nicht. Immer und immer wieder reihte ich Buchstaben an Buchstaben. Die Worte kamen jedoch nicht in meinem Hirn an. Ich war zu angespannt. Vielleicht lag es am Tag oder an dem Buch an sich. Das Buch von Tobi Katze „Morgen ist leider auch noch ein Tag“ stimmte in so vielen Beschreibungen einfach mit mir überein, dass man denken könnte, dass es sich um mein Leben handeln würde: Einfach keine Motivation zum Aufstehen haben. Dagegen aber in vielen Situationen einfach funktionieren müssen. Funktionieren wollen. Bei jeder Assoziation stürmten die Gedanken auf mich ein und lenkten meine Aufmerksamkeit vom hier und jetzt weg... Nach einigen Minuten und gefühlt unendlich vielen Versuchen der Achtsamkeit auf die Zeilen stand ich auf und ging ins Zimmer. Eingekuschelt in meine Bettdecke konnte ich noch einige Seiten lesen und schlief letztendlich über den Seiten ein.

Die Dämmerung hatte sich bereits über die Landschaft gelegt. Ich wachte allmählich auf. Es war bereits Zeit für das Abendessen – zumindest hier in der Klinik. Im normalen Leben wäre dies keine sinnvolle Zeit, doch man gewöhnt sich an vieles. Ich habe mich daran gewöhnt. Nach festen Zeiten zu essen. Essen - etwas was mir sonst sehr schwer fällt, obwohl es für viele nicht so zu sein scheint... Wahrscheinlich auch eines der Themen für die nächsten Wochen...

Wir sitzen in unserer Ecke und genießen den letzten Abend der Quarantäne. Die Ruhe vor dem Sturm – vor dem Ansturm von neuen Patient_innen der über der Station liegt. Eine entsprechende Anspannung ist vor allem beim Personal zu spüren. Ich bin gespannt, wenn die Welle über alle hier herein bricht.

Eine etwas ältere, dunkelhaarige Mitpatientin kommt von ihrem Tagesausgang zurück. Sie wirkte etwas angespannt. Doch sie nahm mit am Tisch platzt, legte zwei Bücher vor sich hin und häkelte ihr Stoffwerk weiter. Eine gehäkelte Frisbeescheibe. Sie häkelte schnell – man konnte schier beim Anwachsen der Reihen zuschauen. Die junge Frau, welche ständig mit ihrem Klinikaufenthalt haderte, nahm ebenfalls am Tisch platz und bestaunte den Häkelfortschritt. Sie interessierte sich für diese Handarbeit, hatte sich jedoch noch nie getraut selbst Nadel und Faden in die Hand zu nehmen. Die Ältere erklärte ihr ganz geduldig und behutsam jeden einzelnen kleinen Schritt. Sie zeigt ihr die Fingerhaltung und das Spiel von Faden und Fingern. Und so vergehen die Minuten. Immer wieder fragt sie, wie sie den Faden am Besten um den Finger schlingt, damit dieser nicht einschneidet aber dennoch genügend Spannung erzeugt wird. Eine Spannung, die die nächste Masche möglich macht. So, dass es ein gleichmäßiges Maschenspiel wird. Doch sie stellt sich etwas verkrampft dar. Schließlich wandern beider Blicke zu mir. Blicke, die nach Hilfe fragen. So zeige ich ihr meine Technik. Diese ist ein wenig anders – zumindest von der Faden- und Fingerhaltung. Ich erkläre ihr aber gleichzeitig auch, dass sie ihren eigenen Weg finden muss... Genauso wie sie ihren Weg im Sinne ihrer eigenen Entscheidungen finden muss...

Mein Blick schweift zu den beiden Büchern. Im Internet hatte ich schon davon gelesen. „i had a black dog his name was depression“ war der Titel des einen. Sie gab mir die Erlaubnis einmal hinein zu schauen. Ich las und mir kamen die geschilderten Situationen so bekannt vor. Vielleicht sollte ich mir auch einmal eine ordentlichen Leine für meinen Schwarzen Hund zu legen....

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